28 Tage auf dem Pazifik
- lukesuter
- Aug 29, 2019
- 7 min read
Endlich waren wir startklar und nach so langer Vorbereitungszeit mit ungeplanter Verzögerung froh, die Pazifiküberquerung antreten zu können.
Nach mehreren Treffen mit der sympathischen Japanerin Mayo stand fest, das sie uns über den Pazifik begleiten würde. Sie war schon auf verschiedenen Booten als Crew unterwegs gewesen, wie im vorherigen Blog kurz ausgeführt. Sie hat eine ruhige, angenehme Art und wartete mit vielen interessanten Geschichten auf.
Sie kam also an Board, von unseren jungen Seglernachbarn gebracht. Diese hatten wir schon in Portobelo kennengelernt, einer war der Gitarrenspieler, der im Casa Vela aufgespielt hatte. Sie waren gerade durch den Kanal gekommen und würden in ca. einer Woche auch die Pazifiküberquerung starten.
Am Mittwoch den 03. Mai gaben wir unsere Buskarten an sie ab, holten den Anker hoch und setzten die Segel. Mit auslaufender Flut wurden wir aus der Bucht von Panama City geschoben, während uns zu unserer Freude Delfine begleiteten. Weitere Begleiter waren zu unserem Erstaunen ein paar Bienen.
Die Pazifiküberquerung war gestartet. Es lag eine angespannte Nervosität in der Luft. Würde alles gut gehen? Hatten wir genügend Lebensmittel dabei? Wie wird uns das Wetter gesinnt sein? Wird Seekrankheit ein Thema sein? Werden wir uns verstehen auf so engen Raum für so lange Zeit? Wie wird es mit den Schichten laufen? All das und noch viel mehr ging uns durch den Kopf. Wir wussten aber nun doch aus Erfahrung, wir müssen einen Tag nach dem anderen nehmen so wie es kommt. Das Schlimmste was man machen kann, ist ständig nur an die Ankunft zu denken oder gar die Ankunft versuchen zu planen.
Was wir planten war jeweils eine warme Mahlzeit pro Tag meist um die Mittagszeit, was zu einem festen und freudig erwarteten Tagespunkt wurde, wo wir auch alle drei jeweils zusammen sassen. Wir labten uns an im Anbetracht dessen, das wir mitten auf dem Ozean waren und somit einen Monat ohne Einkaufsmöglichkeiten, sehr leckeren Mahlzeiten. Von Pizza, frischem Brot auch Damper genannt in Australien, bis hin zu Crepes. Ein Highlight war jeweils, wenn Luke himmlische Fruchtsäfte aus Maracujas, Orangen und Mangos zauberte, was vor allem zu Anfangs möglich war bis uns die Früchte ausgingen. Man kann sich nur vorstellen wie erfrischend dies auf der weiten Salzwasserwüste war. Die kreativen Köchen Luke und Mayo kochten die Mahlzeiten aus wenigen Lebensmitteln mit noch weniger Küchenutensilien, alles wurde in einer Bratpfanne gefertigt. Luke litt dazu unter zum Glück nicht heftiger, dafür aber ständig anhaltender Seekrankheit, ein flauer Magen begleitete ihn zu seinem Übel für die ganze Überfahrt.
Schnell kamen wir in einen angenehmen Rythmus. Die Bootswache teilten wir zu je 4 Stunden pro Person ein, mit Start um jeweils 19:00 Uhr. Wir vereinbarten, dass wir die Schichten rotieren würden, also nach einem Drittel Weg rückten wir jeweils eine Schicht vor, so dass es etwas Abwechslung geben würde.
Das Leben im Ozean durften wir wiedermal in purster Form erleben. Immer wieder fanden wir uns inmitten grosser Delfinschwämmen. Nie bekamen wir genug von ihren Sprüngen am Bug. Einmalig schwamm zu unserem Erstaunen auch ein seltener weisser Delfin vor uns her.
In der Nacht begleiteten uns jeweils Vögel, die die Segel umflogen, ganz nahe an uns heran kamen und dabei lustige Piepgeräusche von sich gaben. Auch sahen wir eine grosse Schildkröte, die gerade eine Qualle verspeiste. Und jeden Morgen fanden wir nebst fliegenden Fischen, kleine Tintenfische auf Deck. Wir wunderten uns wie diese hinauf kamen, bis wir tatsächlich eines sahen, das sozusagen hoch geschossen kam und dabei seine Tinte versprühte.
Einmal sahen wir Haifischflossen von mutmasslich nicht ganz kleinen Haien vorbei schwimmen. Auch bekamen wir wie nie zuvor Schwärme von Vögeln, Delfinen und Fische zu Gesicht, die am jagen waren, Fische und Delfine aus dem Wasser springend, Vögel ins Wasser stürzend. Um uns herum spritzte es über eine grosse Distanz, es war gar nicht klar, wer wen verspeisen wollte. Es war ein gewaltiges Schauspiel, das sich uns bot.
Der erste Abschnitt bis zum Äquator war geprägt von wechselhaften Winden und aufgewühlter See, was an den Rumpf schlagende Wellen bedeutete, die ziemlich laut waren. Dazu kam eine Strömung, die uns so stark Richtung Ecuador zurück drückte, dass wir zeitweise nur mit 2 nervenaufreibend langsamen Knoten Geschwindigkeit vorwärts kamen. Das hiess häufiges umstellen der Segel, was uns auf Trab hielt. Es war auch zeitweise ziemlich ungemütlich an Board. In vielen Nächten schreckten wir so alle 10 Minuten hoch, weil man im Bett herumrollte. Es fühlte sich an, als würde man einen Abhang hinunterrutschen, häufig wachten wir daher auf uns festklammernd an der Seite des Betts, bevor die nächste Schicht wieder begann.
Je näher wir dem Äquator kamen, desto windstiller wurde es.
Dann kam der Tag, beziehungsweise die Nacht der Äquatorüberquerung. Dies war ein spezielles Erlebnis und wir waren schon etwas stolz, den Äquator mit dem eigenen Boot auf dem Meer überqueren zu können. Am 10. Mai um 2:50 Uhr Nachts war es soweit, wir segelten über diese unsichtbare Linie und fuhren in die südliche Hemisphere der Erde ein. Es war eine zauberhafte Vollmondnacht dazu.
Der nächste Tag erwachte unter einer Schäfchenwolkendecke, die endlos den Himmel zu überspannen schien. Natürlich feierten wir die Überquerung gebührend. Wir verkleideten uns mit den wenigen Utensilien, die wir mithatten und Mayo kochte uns ein leckeres Pizzabrot. Luke buk dazu einen Schokoladenkuchen, der so mitten auf dem Ozean noch besser schmeckte als sonst und von dem das erste Stuck dem Meeresgott Neptun geopfert wurde.
Bald darauf segelten wir an den berühmten Galapagosinseln vorbei, wobei wir diese nicht zu Gesicht bekamen, da wir uns entschieden dort keinen Halt einzulegen. Es kam endlich konstanter Wind auf und wir segelten mit angenehmer Geschwindigkeit weiter. Neptun muss wohl den Kuchen gemocht haben.
Bewusst war uns stets, dass wir draussen auf dem Pazifik auf uns gestellt waren. Klar waren wir ausgerüstet mit diverser Sicherheitsausrüstung und Notruf, aber bei diesen Distanzen ist in einem Notfall die Hilfe ziemlich lange unterwegs zu einem.
Dankbar waren wir daher für die moderne Technologie dem Satellitentelefon, das uns ermöglichte mit weiteren Segelbooten, von denen wir die Besitzer in Panama kennen gelernt hatten und die auf demselben Kurs waren in Kontakt zu sein. Auf der “Sandy Cheeks", auch ein Katamaran, segelte eine australische Familie mit ihrem 11 jährigen Sohn, auf einem anderen ein englisches Paar in unserem Alter und auf dem Dritten ein älteres Paar aus Neuseeland mit einem Bekannten an Board. Wir hielten uns gegenseitig auf dem Laufenden bezüglich Vorwärtskommen, Wetter, Befinden sowie Rezepten. Dies gab ein Gefühl der Sicherheit, doch nicht ganz alleine auf diesem riesigen Ozean dahinzusegeln, obwohl wir die anderen Boote nie zu Gesicht bekamen, sie waren alle ein paar Tage vor uns gestartet.
Das Satellitentelefon ermöglichte sogar ein Telefonat in die Schweiz zu einem besonderen Familienanlass, auch wenn die Verbindung immer wieder unterbrach. Das war ein spezieller und sehr surrealer Moment, so mitten auf dem Pazifik die Lieben am anderen Ende zu hören. Denn da man den ganzen Weg bis hierhin auch mit dem Segelboot gemacht hat und sich dazu auf dem riesigen Ozean befindet, fühlt man die wirkliche Distanz einiges besser, als wenn man innert kürzester Zeit mit dem Flieger auf einem anderen Kontinent landet.
Bald wurde deutlich, das wir von zig Kubikliter Wasser umgeben waren, alles wurde feucht, die Betten, die Kleider und Schuhe, etc. Um Schimmel möglichst zu verhindern, hiess es täglich alles in die Sonne hängen und austrocknen lassen. Auch Früchte und Gemüse mussten wir regelmässig kontrollieren, schimmlige Stellen wurden abgeschnitten, es wurde nichts einfach so weggeworfen. Wir experimentierten damit, das wir reines Alkohol auf die abgeschnittenen Stellen rieben, was tatsächlich half den Schimmelprozess zu verlangsamen.
Dann eine Weile in die Überquerung hinein verwickelte sich ein Seil zuoberst am Mast. Nun galt es für Luke mitten auf dem Pazifik auf den Mast zu klettern. Die Sicht war wohl einzigartig dort oben, was Luke aber nur mässig geniessen konnte, da er aufgrund den Wellen ziemlich hin- und her geschwungen wurde.
Die Sicht war allgemein grossartig, insbesondere nachts gab es so viel zu sehen. Es gab da draussen keine Licht- und Geräuschverschmutzung, nur das Rauschen der Wellen und das Flüstern des Windes war zu hören. Der Mond leuchtete wahnsinnig hell zwischen den Wolken, die endlose Weite des Ozeans glitzerte auf und es gab eine Leuchtspur. Die Sterne glühten zu Tausenden und Sternschnuppen explodierten nicht nur in weiss, da war sogar eine grüne Explosion dabei. Und nein, da waren wir nicht verrückt geworden aufgrund so viel Wasser um uns herum.
Es war fantastisch nachts auf dem Rücken liegend die Sterne zu beobachten, man wusste gar nicht mehr wo oben und wo unten war, es war als schaukle man schwerelos dahin. Gerüche gab es auch fast keine, die Luft ist so rein. Das Salzwasser roch dafür intensiver und es fühlt sich an, als würde Salzwasser die Kehle runterrennen.
Dann 7 Tage vor unserer Ankunft setzte unsere Selbststeueranlage aus. Schon ein paar Tage vorher hatten die Probleme angefangen. Luke konnte sie jeweils wieder in Gang bringen, Kopf vorne über mit Seekrankheit kämpfend im Motorenraum, wo sich auch die Anlage befindet. Nun diesmal ging es nicht mehr. Wir mussten Carpe Diem von Hand steuern, Tag und Nacht. Dabei steuert sich ein Segelboot nicht so einfach, die Wellen drücken das Boot in alle Richtungen und die Segelstellung je nach Wind muss berücksichtig werden. Hinzu kommt, dass es rundherum alles gleich aussieht, man kann keiner Spur folgen. Kurzum, der Kurs zu halten war ziemlich anstrengend. Nachts erleichterten die Sternen die Orientierung etwas. Wir steuerten in drei Stunden Schichten, manchmal wenn die Sonne brannte den Tag durch hielt man es nur eine Stunde aus. Es war anstrengend, auch waren wir schon lange Zeit nun unterwegs und schon etwas müde. Hier zeigte sich auch wieder, das wir mit Mayo an Board eine super Entscheidung getroffen hatten. Sie half tatkräftig mit und übernahm sogar zeitweise das Steuer von Vera, wenn diese wiedermal fast verzweifelte nach ziemlich schlangenförmigen Manövern mit dem Steuerrad. Als dann auch noch kurzzeitig die Steuerung des Steuerrades ausfiel, waren wir sogar mitten im Pazifik manövrierunfähig, was schon ein beängstigendes Gefühl war. Zum Glück konnte Luke diese schnell wieder reparieren. Für uns ist es unvorstellbar eine solche Reise zu machen, ohne Jemanden an Board, der das Wissen und Können hat, solche Sachen zu flicken. Auch ist sicher ein Talent zur Kreativität und Cleverness gefragt, weil auch nicht immer das passende Werkzeug oder die richtigen Teile vorhanden sind. Es ist definitiv klar, das ohne Luke’s Können und Wissen eine solche Reise gar nicht möglich gewesen wäre.
Dann nach 7 Tagen steuern, war Land in Sicht. Man kann sich dies gar nicht vorstellen, wie überwältigend das ist, nach 28 Tagen auf dem Meer. Wir waren am 31. Mai auf den Inseln der Marquesas, die zu französisch Polynesien gehören, angekommen.
Nie in unserem Leben haben wir so etwas wunderbares gerochen, nach nur Salz konnten wir die ganze Vegetation intensiv riechen, es roch wie in einem riesigen, exotischen Blumengarten. Wir waren im Südpazifik, im Paradies angekommen.
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